Martin Thiel aus Potsdam leidet unter einer Lungenfibrose. 2012 wird er im Alter von 48 Jahren am DHZB lungentransplantiert. Der Transplantation folgt ein langer Krankenhausaufenthalt mit vielen Komplikationen. Schritt für Schritt kämpft er sich ins Leben zurück. Heute steht der mittlerweile 56-jährige (Hobby-)Gitarrist wieder voller Leidenschaft und Dankbarkeit mit seiner Band auf der Bühne.
Martins Geschichte ist Teil unserer Serie „#Aufatmen!“: Ab 6. Juni, dem Tag der Organspende, berichten wir gemeinsam mit dem DHZB täglich zum Thema Lungentransplantation – bis zum 28. Juni, dem 30sten Jahrestag der ersten Lungentransplantation am DHZB. Martins Geschichte lesen Sie hier:
Welches ist Deine Grunderkrankung, die eine Lungentransplantation nötig gemacht hat?
Anfang 2006 bemerkte ich, dass ich bei leichten Beanspruchungen wie Treppensteigen, Heben, längerem Laufen usw. ziemlich schnell außer Atem komme - das war bis dato nicht so. Damals war ich 42 Jahre alt. Es kam zu Untersuchungen beim Hausarzt, Kardiologen und Lungenspezialisten sowie schließlich die Einweisung in die Fachklinik für Pneumologie in Treuenbrietzen. Dort wurde eine Lungenfibrose diagnostiziert. Über mehrere Jahre folgten Krankenhausaufenthalte, u.a. in der Berliner Charité, bis ich schließlich 2010 ins DHZB kam und für eine Lungentransplantation gelistet wurde.
Was die Lungenfibrose bei mir ausgelöst hat, ist bis heute unklar. Ich habe nie geraucht und hatte auch nie mit Staub, Gasen oder Dämpfen zu tun.
Wann wurdest Du transplantiert und wie alt warst du?
Über die Jahre wurde mein Zustand immer schlechter, zwar langsam und schleppend, aber stetig. Die nötigen Pausen wurden länger, alles wurde zunehmend anstrengender, selbst kleinste Tätigkeiten. Im Frühjahr 2012, wenige Wochen vor der Transplantation, war ich auf Sauerstoffzufuhr angewiesen, erst stundenweise, dann ganztägig und auch nachts. Trotzdem ging ich weiter zur Arbeit. Im Mai 2012 war ich schließlich auch dafür zu schwach. Selbst kleinste Anstrengungen wie Duschen konnte ich nur noch unter extremer Atemnot schaffen. Anfang Juli war ich zu schwach, um aufzustehen. Ich kam in die Charité und wurde zwei Tage später, am 7. Juli 2012, mit 48 Jahren transplantiert.
Wie geht es Dir heute?
Mir geht es heute mit einigen Abstrichen sehr gut. Ich gehe Vollzeit arbeiten und kann als Gitarrist wieder in meiner Band spielen. Ich kann am Leben teilhaben. Natürlich bremsen mich die Medikamente, die ich seit der Transplantation nehmen muss, manchmal aus. Es gibt Tage, an denen alles anstrengend ist, und dann wieder solche, an denen ich mich sehr leicht fühle. Dazu kommt, dass ich manchmal Stimmungsschwankungen unterliege - ab und an ein wenig depressiv werde. Aber ich habe gelernt, damit zu leben.
Ein Schlüsselerlebnis hatte ich im ersten Sommer nach meiner Transplantation: Ich konnte in der Berliner Waldbühne bei einem Konzert von Jon Bon Jovi die vielen langen Treppen vom Innenraum bis nach oben laufen. Wer die Waldbühne kennt, weiß, das sind sehr viele Stufen. Dass dies einmal wieder möglich sein würde, habe ich mir vor der Transplantation nicht in meinen kühnsten Träumen vorstellen können.
Was würdest Du sagen, macht Deine Geschichte besonders erzählenswert?
Ich habe im Krankenhaus viele Menschen kennengelernt, die ein ähnliches Schicksal hatten wie ich. Nicht alle haben es geschafft, und vielen geht es nach der Transplantation auch nicht so gut wie mir. Ich lebe seit mittlerweile acht Jahren mit meiner neuen Lunge. Natürlich bin ich nicht kerngesund, aber - wie mein Hausarzt immer lachend sagt: „…gut eingestellt“.
Vor und nach der Transplantation war ich ein paar Mal an dem Punkt, an dem ich nicht mehr leben wollte. Es gab viele Komplikationen, so dass ich nach der Transplantation ein halbes Jahr im Krankenhaus bleiben musste, zwischenzeitlich lag ich im Koma. Ich musste alles neu lernen, aber mit der Hilfe der Pflegekräfte und Ärzte und dank der Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde kam ich wieder auf die Beine – Stück für Stück. Heute kann ich sagen, jeder Schritt hat sich gelohnt.
Was wünschst Du Dir?
Ich bin mir meines Glücks bewusst. Mir wurde ein zweites Leben geschenkt. Ich würde mich dafür sehr gern bei den Eltern meines Spenders bedanken. Leider kann ich dies aufgrund der rechtlichen Bestimmungen nicht persönlich tun.
Natürlich wünsche ich mir, dass mich meine neue Lunge weiter durchs Leben trägt. Seit meiner Transplantation weiß ich die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens viel mehr zu schätzen: ein gutes Essen, ein Tag am Meer, Gitarre spielen und wieder Auto fahren zu können, das alles ist toll! Ich bin aber auch dankbar dafür, krankenversichert zu sein und einen Arbeitgeber an meiner Seite zu wissen, der mich in all der Zeit immer unterstützt hat. Beides ist ein großes Privileg. Natürlich muss ich mit den Nebenwirkungen der Medikamente umgehen – aber ich lebe!